In einer Moselschleife ganz im Nordosten von Trier liegt die Kenner Flur. Eine menschliche Siedlung sucht man auf dieser weitläufigen Ebene, die wie ein gleichschenkliges Dreieck mit abgerundeter Spitze geformt ist, wegen der Hochwassergefahr vergebens. Stattdessen finden sich in den durch Kiesabbau entstandenen Seen und Tümpeln seltene Vögel und Amphibien.
Zischend taucht die Baggerschaufel ins Wasser, bohrt sich in den Grund und taucht wenige Sekunden später mit einigen Kubikmetern Sand und Kies wieder auf. Jetzt lässt der Baggerführer sein Fahrzeug herumschwenken und die Schaufel entlässt ihren Inhalt auf einen ansehnlichen Kieshaufen am Ufer, der auf den Abtransport ins nahe gelegene Werk wartet. Auf den ersten Blick deutet bei dieser Szene nichts auf einen besonders sensiblen Umgang mit der Umwelt hin. Und doch ist das Naturschutzgebiet Kenner Flur ohne den Kiesabbau undenkbar.
Der wertvolle Kies, den die Firma Eiden hier seit Jahrzehnten abbaut, liegt unter einer mehrere Meter dicken Lehmschicht und zumeist auch unterhalb des Grundwasserspiegels. Die „ausgekiesten“ Gruben werden offen gelassen, füllen sich mit Grundwasser und werden nach und nach von der Natur zurück erobert. So ist auf der Kenner Flur eine kleine Seenlandschaft entstanden: ein von Menschen geschaffener Ersatz für die seit der Moselkanalisierung fast verschwundene natürliche Flusslandschaft.
Die Ufer der neu entstandenen Baggerseen sind steil und noch kaum bewachsen. Sie sind ein idealer Tummelplatz für Uferschwalben, die hier ihre Bruthöhlen anlegen können. Bei älteren Gewässern hat die Erosion sichtbare Spuren hinterlassen: Die Steilufer sind abgebrochen und eine dschungelartige, fast undurchdringliche Vegetation umgibt das Wasser, auf dem sich Algenteppiche gebildet haben. Das wirkt idyllisch, ist aber nicht ganz unproblematisch: „Hier kommt kaum noch Wind durch, so dass zu wenig Bewegung im Wasser ist. Wenn sich das Wasser nicht mehr umwälzt, kann es passieren, dass der Sauerstoffverbrauch größer ist als die Sauerstoff-zufuhr und der See umkippt“, erklärt Udo Ammel von der Naturschutzbehörde im Rathaus. Geplant ist deshalb, die einzelnen Gewässer im Zuge des weiteren Kiesabbaus miteinander zu verbinden. Je größer und offener die Wasserfläche, desto geringer ist die Gefahr des Umkippens.
Doch ganz dürfen die kleineren Tümpel aus dem Ökosystem auf der Kenner Flur nicht verschwinden: Sie bilden einen wichtigen Lebensraum für Amphibien. Vor einigen Jahren wurde auf der Kenner Flur eine Population von Kreuzkröten aus Tarforst angesiedelt, die dem dortigen Kunstrasenplatz weichen mussten. Dabei kann man nicht behaupten, dass die Kreuzkröte bei der Auswahl ihrer Laichgewässers wählerisch wäre. Oft genügt eine der großen Pfützen, die neben dem Fahrweg zwischen Kiesgrube und Kieswerk entstanden sind. Wenn sich daneben noch ein Haufen frisch ausgehobener Erde befindet, ist die Kreuzkröte fast wunschlos glücklich – schließlich verbringt sie einen Großteil ihres Lebens im Erdreich und benötigt nur zur Fortpflanzung ein Gewässer.
Neben den Amphibien muss es auf der Kenner Flur auch jede Menge Wildschweine geben – davon zeugen jedenfalls die zahlreichen Trittspuren und Wildwechsel. Aber vor allem prägen Vögel das Naturschutzgebiet: Neben der Uferschwalbe finden hier geschützte Arten wie der Eisvogel, der Orpheusspötter oder die Beutelmeise einen Lebensraum. Seltene Zugvögel wie der Gänsesäger benutzen das Gebiet gerne als Rastplatz. Vom Kiesbagger lassen sie sich nicht stören.